Lasertag – (K)ein Spiel für Kids?

"Wir feiern morgen bei Lasertag!" ruft Mike fröhlich. "Ihr feiert wo??" frage ich erstaunt. 12 Jahre wird er alt. Da werden Geburtstage nicht mehr mit Topfschlagen und Luftballonzerpieksen in der eigenen Wohnung gefeiert. Es geht raus. Bei Kindergeburtstagen tobt man im Schwimmbad, geht ins Dinosaurier- oder ins Postmuseum, auf eine Bowlingbahn oder auch mal zu McDonalds.
Aber zu Lasertag? Ich kenne einige dieser Arenen. Es sind dunkle Räume mit futuristisch gestalteten Neonlandschaften mit verwirrenden Nebelwolken, in denen Teams zu laut tönender Musik gegeneinander spielen. Sie versuchen, die Personen des anderen Teams mit Phasern zu markieren, um als der Punkte-Sieger aus dem Spiel hervorzugehen. Hierzu muss man schnell und wendig sein, sich aber auch immer wieder mit der eigenen Gruppe eine Strategie ausdenken, um das andere Team zu schlagen. Das ist doch eher etwas für Ältere, denke ich und frage verdutzt: "Ist euch da wirklich GARNIX anderes eingefallen?" "Wir gehn alle! Papa, Mama und Mona geht auch mit," bekomme ich zur Antwort. Mona? Mona ist ungefähr 8 Jahre alt!

Kids spielen Lasertag? Das will ich mir ansehen. Ich verabrede mich mit einer Studiengruppe bei LaserZone in Frankfurt. Es ist Wochenende. Da ist die Arena für Kindergeburtstage reserviert. Die Studiengruppe hat zwei verschiedene Beobachtungsfolien, die wir der Wikipedia Beschreibung zu Lasertag entnommen haben:
"Lasertag ist ein Räuber und Gendarm Spiel."
"Lasertag ist ein Kriegsspiel." 
Die Gruppen beobachten die Kinder, ordnen ihre Beobachtung den jeweiligen Beschreibungen zu und begründen ihre Wahl. So ist unser Plan.

Doch wir müssen umdenken, denn bereits der Eingang zur Arena unterscheidet sich von den bisher besuchten Arenen. Es ist kein dunkler, durch bunte Neonbeleuchtung futuristisch anmutender Raum, der in eine geheimnisvolle Welt führt. Uns erwartet eine helle, bunte große Eingangshalle mit verschiedenen elektronischen Spielgeräten, einer Theke und daneben der Eingang zur eigentlichen Arena. Tische und Bänke sind aufgestellt. Überall sausen grössere aber auch 'etwas kleinere' Kinder durch die Halle. Sie spielen an den Geräten, sitzen auf Barhockern, albern rum oder stehen an den Anzeigetafeln und vergleichen ihre Ergebnisse, Papa an der Hand. Die Mütter sind beschäftigt. Sie richten die Geburtstagstafeln. Kuchen und Gebäck werden hereingebracht, aus großen Körben Geschirr, Besteck und Servietten hervorgeholt. Es sieht weder nach den Vorbereitungen zu einem Räuber und Gendarmspiel aus, noch nach denen zu einem Kriegsspiel. Es sind fröhliche Runden, die gemeinsam Spaß haben, die Kinder, aber auch die Erwachsenen. Geburtstagsfeiern eben. 
Wir befragen die Eltern warum sie den Geburtstag bei LaserZone feiern. "Naja, alle seine Freunde feiern hier. Ich konnte ihm das nicht abschlagen," erklärt eine der Mütter, während sie weiter den Tisch deckt. "Es ist völlig anders, als ich mir das vorgestellt habe," fährt sie fort, "ich denke, es war eine gute Entscheidung hierher zukommen. Jeder findet hier etwas, auch die Kleinen, die können wir ja nicht einfach zu Hause lassen. Und es ist einfacher, alle zu beaufsichtigen. Als wir im Schwimmbad waren, da war das für mich viel chaotischer." "Dürfen die Kleinen denn mit in die Spielarena?" "Nein, das nicht", wird uns erklärt, "aber es gibt genügend Möglichkeiten im Vorraum für sie. Es sind so viele Kinder hier. Sie finden schnell jemanden, mit dem sie etwas zusammen machen können. Sie fühlen sich wohl und sind mit dabei." 




Wir betreten den Vorraum zur Arena, in dem die Westen und Phaser aufgereiht nebeneinander hängen. Erwartungsvoll steht bzw. zappelt eine Gruppe herum, um endlich hineingelassen zu werden. Die Erwachsenen helfen in die Westen und erklären noch einmal den Phaser. Überall blinkt es in zwei verschiedene Farben, damit die Gruppen sich auseinanderhalten können und nicht aus Versehen die falschen markieren.
"Auf gehts," erklärt ein Vater. Die Tür öffnet sich. Die Kids sausen los. Nach 12 Minuten kommen sie wieder, diesmal nicht so stürmisch, eher etwas erschöpft, mit roten Backen und verschwitzten Haaren. "Geil war das," bekommen wir zu hören, und zu den Erwachsenen "Können wir nochmal?" So richtig interessiert die Punktezahl erst einmal noch gar nicht. Die Getränke sind wichtiger und das Reden miteinander. Der Lautstärken-Pegel im Raum schwillt an, wenn eine Gruppe aus der Arena kommt. Einige rennen rum, gucken, was die anderen machen, andere ruhen sich aus. Und es gibt ein Gruppenfoto. Aber dann geht es doch zur Anschlagtafel mit den Ergebnissen.
"Wie war es da drin", fragen wir einen Vater. "Naja, es ging," kommt die Antwort etwas gedehnt. "Es hat also nicht gefallen?" wollen wir wissen. "Den Kids schon, die sind herumgesaust, nur für mich war das etwas langweilig. Die haben ja überhaupt nicht strategisch überlegt, wie sie die anderen fangen können. Die sind alle etwas ziellos um die Hindernisse herum und haben geschrien und gelacht. Nix von mal überlegen, was man zusammen tun könnte, um die andere Mannschaft zu finden und zu treffen. Nix, nur Rumgerenne." Er lacht. "Aber für die Kids ist das schon irgendwie toll. Die sind alle begeistert."

"Was macht ihr da drin?" fragen wir einige der Kinder? Die meisten von ihnen sind zwischen 10 und 12 Jahre alt. "Du gehst da rein und dann sind da so Gänge und du musst die suchen." "Ja, aber du musst dich auch verstecken, sonst finden sie dich" "Wen müsst ihr suchen?" fragen wir. Jetzt wird es lebhafter und die Gruppe versucht uns Erwachsenen zu erklären, wie ein "Spiel" in der Arena verläuft. Jeder erzählt etwas. Alle reden gleichzeitig. Irgendwie scheint der Eindruck des Vaters zu stimmen: Sie haben sich versteckt, sind suchend rumgelaufen, haben geschrien und gelacht und hatten Spaß.
Offensichtlich haben wir uns bei der Beobachtung der Kleinen auf falsche Beobachtungsfolien verständigt. Die Beschreibungen der Kinder ähneln weniger eine Räuber und Gendarm Spiel noch einem Kriegs-Spiel. Sie spielen einfach Fangen und haben Spaß dabei.

Ganz anders als bei den Älteren, den 12-,13-,14-Jährigen. Ihnen geht es eher um die Punkte-Jagd, um das Gewinnen der Mannschaft. Nach dem Kennenlernen der Spielmodi beginnen sie sich abzusprechen, wie man sich wo am besten zusammentut oder sich zuruft, um die andere Gruppe ausfindig zu machen.
Wir schlüpfen mit einer älteren Gruppe in die Arena und versuchen, das Ganze zu beobachten. Kommt es wirklich zu Absprachen, zu eigenen Regeln, wie man vorgeht? Es ist beides, ein Rumrennen und strategische Absprache. Hier merkt man nun, dass es um den Punktegewinn geht, um den Sieg der Mannschaft. Dreiergüppchen stehen um in die Wand eingelassene neutrale Punktestationen  – sogenannte Targets. Hier ist die Punktezahl höher und man versucht daher, gleichzeitig mit drei Personen über dieses Ziel zu punkten. Ob die Kleineren diese Möglichkeiten auch schon kannten und genutzt haben, hatten wir nicht nachgefragt.

Wir schauen uns weiter um. An einer Pinnwand posieren Erwachsene nach ihrem Spiel. "Das geht aber gar nicht", sagen die Studierenden. "Was halten Sie von diesem Bild" fragen wir eine Mutter. "Naja, nicht gerade super, ich hatte die hier gar nicht gesehen. Sie sind in der Ecke hinten und fallen nicht sofort ins Auge. Ich denke, es ist schwer für Betreiber, eine Arena so zu gestalten, dass es für alle Altersstufen passt. Für uns ist es gut so, wie es ist. Das eine Bild, ich denke, es ist nicht wichtig." "Und das Spiel, was ist es für Sie? Was spielen die Kinder in der Arena?" "Das ist nicht meine Welt" bekommen wir zur Antwort. "Mein Mann geht mit der Gruppe spielen. Fragen Sie ihn." Der Eindruck entsteht, Mütter sind für den Ablauf im Vorraum und die Geburtstagstafel zuständig und die Väter interessieren sich für das Spiel und den Ablauf des Spiels.

Die Studierendengruppe beendet ihre Beobachtungen und reflektiert ihre Erfahrungen. Unsere Frage, ob Lasertag eher als Räuber-und-Gendarm Spiel oder als Kriegsspiel von den Anwesenden wahrgenommen wird, war offensichtlich ein falscher Ansatz. Ganz andere Fragen haben sich ergeben. "Sicherlich ist das hier eine tolle Sache für die Kids" sagen die Einen, "Einiges müsste sich hier aber ändern", sagen die anderen.  Zu einer Bewertung reichen die Erfahrungen noch nicht. Eine Studierendengruppe beschliesst, bei den Eltern genauer nachzuforschen, nach Müttern und Vätern zu differenzieren und hierzu eine Befragung durchzuführen. [1] Eine andere Gruppe wertet die Gruppenfotos nach den verschiedenen Altersstufen inhaltsanalytisch aus. [2] Eine dritte Gruppe differenziert aus der Perspektive der Entwicklungspsychologie die Entwicklungsphasen im Alter zwischen 10 und 14, da hier entscheidende Entwicklungsschritte zu verzeichnen sind. Und dann? Naja, dann gehen sie spielen, die Studierenden. Sie möchten schliesslich nicht nur beobachten, sondern noch genauer wissen, worüber sie nachforschen sollen, sagen sie mir.
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1) Die Auswertung erscheint in Kürze.
2) Die Inhaltsanalyse erscheint in Kürze.